Sterntaler - mal anders

  • <i> Ich habe neulich diese beiden Versionen von einer bekannten bekommen. Die erste dürfte ja so ziemlich jeder noch aus seinen Kleinkindertagen her kennen, die zweite aber hat es in sich.
    So möchte ich die Interessierten bitten sich die beiden Versionen einmal durchzulesen und zu schreiben, was sie davon halten. Mich haben die Unterschiede der beiden zumindest tief bewegt. </i>



    <b>Die Sterntaler</b>


    Es war einmal ein kleines Mädchen, dem war Vater und Mutter gestorben, und es war so arm, daß es kein Kämmerchen mehr hatte, darin zu wohnen, und kein Bettchen mehr, darin zu schlafen, und endlich gar nichts mehr als die Kleider auf dem Leib und ein Stückchen Brot in der Hand, das ihm ein mitleidiges Herz geschenkt hatte. Es war aber gut und fromm. Und weil es von aller Welt verlassen war, ging es im Vertrauen auf den lieben Gott hinaus ins Feld. Da begegnete ihm ein armer Mann, der sprach: „Ach, gib mir etwas zu essen, ich bin so hungrig.“ Es reichte ihm das ganze Stückchen Brot und sagte: „Gott segne dir’s“, und ging weiter. Da kam ein Kind, das jammerte und sprach: „Es friert mich so an meinem Kopfe, schenk mir etwas, womit ich ihn bedecken kann.“ Da tat es seine Mütze ab und gab sie ihm. Und als es noch eine Weile gegangen war, kam wieder ein Kind und hatte kein Leibchen an und fror. Da gab es ihm seins; und noch weiter, da bat eins um ein Röcklein, das gab es auch von sich hin. Endlich gelangte es in einen Wald, und es war schon dunkel geworden; da kam noch eins und bat um ein Hemdlein, und das fromme Mädchen dachte: Es ist dunkle Nacht, da sieht dich niemand, du kannst wohl dein Hemd weggeben, und zog das Hemd ab und gab es auch hin. Und wie es so stand und gar nichts mehr hatte, fielen auf einmal Sterne vom Himmel und waren lauter harte blanke Taler - und ob es gleich sein Hemdlein weggegeben, so hatte es ein neues an, und das war vom allerfeinsten Linnen. Da sammelte es sich die Taler hinein und war reich für sein Lebtag.


    <I>Jacob und Wilhelm Grimm (1812)</i>



    <b>
    Sterntaler
    </b>


    Vater und Mutter waren umgebracht worden. Es besaß nichts als zerfetzte Kleider auf dem Leib und Brot in der Hand, das ihm die Soldaten schenkten, die Vater und Mutter töteten. Es hoffte auf den lieben Gott - als es noch eine Schule gab, hatte es dort von ihm gehört - und ging auf ein freies Feld. Dort begegnete ihm ein alter Mann und nahm ihm das Brot weg. Das Mädchen hatte in einem Märchenbuch ähnliches gelesen. Es freute sich, hielt es für ein gutes Zeichen, blieb stehen und wartete auf die Kinder, denen es seine Kleider schenken mußte. Sie kamen. Sie waren drei. Sie waren größer als das Mädchen, schlugen es, rissen ihm die Kleider vom Leib. Es freute sich, weil es auch das so ähnlich gelesen hatte.
    Als es nun auf dem freien Feld stand und sich freute und auf den lieben Gott hoffte, fielen Sterne aus dem Himmel. Als sie auf den Boden trafen, detonierten sie.


    <I>Fritz Deppert (1972)</i>

  • Ich bin aj bekanntler der jenige, der es am wenigsten schafft, seine Gefühle in Wörter zu binden, aber dieser Vergleich bzw. die zweite Geschichte hat mich schon irgentiwe nachdenklich gemacht.
    Nicht schön...aber auch zum denken anregend...

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