Meine unqualifizierte Meinung...
Im ewigen Streit um WoW gipfelt einfach nur das, was die Leute am Internet vorher schon "gefährlich" fanden. Sucht, Abschottung von der Außenwelt, Verlust des eigenen Urteilsvermögens, Verschwimmen der Grenzen von Wirklich und Unwirklich. Jetzt hat man mit WoW halt einen perfekten Sündenbock für all die Probleme, die sich im jungen Teil unserer Gesellschaft angehäuft haben und von denen die Eltern und alle anderen Besserwisser glauben, überhaupt keine Schuld zu tragen. Verfluche das Spiel, nicht den Spieler. Oder so.
Ich hab keinen Zweifel daran, daß sich auch über das Internet sehr tiefe und beständige Freundschaften entwickeln können. Gerade über Foren hat man sehr einfachen Zugang zu Hunderten Gleichgesinnten, gleichzeitig ist die Hemmschwelle, jemanden anzusprechen, dank der Anonymität viel niedriger. Wo hat man das denn im wirklichen Leben? Man kann auf ein Konzert oder auf irgend eine andere Veranstaltung gehen, aber sprecht ihr da wahllos jemanden an? Wohl kaum. Auch, wenn man's nicht will, sofort startet man die Auslese und würde, wenn überhaupt, sich einen rauspicken, der möglichst sympathisch aussieht. Und schon sind wir bei einer wunderbar utopischen Situation.
Im Netz gibts keinen sozialen Status, da ist jeder gleich, und daher ist es auch so einfach, Kontakte zu knüpfen. Dinge wie Aussehen, (Aus-)Sprache und Kleidung zählen einfach nicht. Man konzentriert sich auf die Person an sich - das Wesentlich - besser gehts doch eigentlich gar nicht.
*anekdote aus thunders kleinem leben*
Ich hab - bis auf eine - ALLE Leute, die ich heute als meine wirklichen Freunde bezeichne, im Internet kennengelernt. Mit zweien wohne ich seit einem Jahr glücklich zusammen, und seitdem hab ich mich selbst auch ziemlich weiterentwickelt. Die anderen mögen vielleicht weiter weg wohnen, aber nur, weil man sich nicht täglich sehen kann, heißt das nicht, daß man auf Distanz lebt und vom anderen nur einen Teil kennen kann.
Es gibt also auch durchaus "happy ends" im Netz.
Die Leute, die dafür (nehmen wir das leidige Thema mal wieder) nur noch WoW im Kopf haben und alle Leute außenrum vergessen, können die Tränen nicht wert sein, die man über sie vergießt - wenn man demjeningen so unwichtig ist, daß der Kontakt dank der neuen, schönen Drachentöter-Fantasy-Nachtelfenwelt abbricht, dann war die Freundschaft nie so tief, als daß sie von großartiger Bedeutung gewesen wäre. Darüber kann ich dann inzwischen auch mit erhobenem Mittelfinger hinwegsehen.
Zugegeben, ich hab eine ziemliche Phobie gegen alle Arten der MMORPGs entwickelt, aus dem einfachen Grund, daß ich echte Angst um ein paar Freundschaften hatte, die mir sehr wichtig waren. Manche sind zu Bruch gegangen, andere dagegen zum Glück wieder aufgeblüht. Kommt eben immer drauf an, da läßt sich nichts verallgemeinern.
Kling zwar doof, aber ich hab gern was vom Leben und ziehe ein Flanieren über die hell erleuchtete Königstraße in der nächtlichen Hitze in Stuttgart einem rückenkrümmenden Onlinematch vor. Und wenns Phantasiewelten sein sollen, erschaff' ich sie mir am Liebsten selber.