WIE ES SEIN SOLLTE
Er ist hübsch, aber das ist nur Fassade. Innerlich ist er leer, so wie ein Kartenhaus. Zumindest stelle ich es mir so vor. All die schönen Dinge, die er mir vor Augen führte – jetzt erst erkenne ich sie als Gespinste ohne Inhalt, leere Seiten in einem gebundenen Buch, das Risse ohne Altersspuren trägt. Die Formulierung würde ihm bestimmt gefallen. Er war wie ein Buch für mich, dessen Seiten ich zwar sehen konnte, für die ich jedoch nie zum Lesen bestimmt war.
Ich war so anmaßend anzunehmen, dass ich ihn kennen würde. Was für ein Possenspiel. Jetzt wird mir klar, dass ich ihn nie kannte und nie kennen werde. Er ist mir fremder geworden, und doch sind wir einander noch immer nah. Wir sind wie die Blätter eines Baumes, die über Zweige, Äste und den Stamm miteinander in Verbindung stehen und sich doch nie berühren.
Stimmt mich das noch immer traurig? Ein wenig, das gebe ich zu. Doch langsam erscheint es mir, als ob nur die Vergangenheit uns noch zusammen schweißt, doch diese Verbindungsstelle bekommt Risse. Bald wird Herbst und die Blätter werden fallen. Vielleicht können sie auf dem Boden, fern von Stamm, Ästen und Zweigen zusammen sein, doch ich fürchte der Wind wird das verhindern. Vielleicht lässt der Wind sein inneres Kartenhaus auch einstürzen.
Werde ich ihm helfen, wenn er meine Hilfe braucht? Wo war er denn, als ich seine Unterstützung nötig hatte? Als der Wind an meinem Kartenhaus zerrte? Irgendwo hoch oben in seine Wolken vertieft, nehme ich an. Damit beschäftigt, sein Kartenhaus zu stabilisieren und dennoch immer höher zu bauen.
Und ich?
Ich habe meine Karten gegen Holz und Backstein eingetauscht. Während er noch in den Wolken schwebte, habe ich am Boden mein Lager aufgeschlagen, habe Wind, Regen und Frost getrotzt und mein inneres Haus aus eigener Kraft eingerissen. Nun baue ich ein neues, ein bescheidenes, aber robustes Heim für meinen Geist, ein Lazarett für meine erschöpfte Seele. Es wird keine Festung, doch es wird stabil.
Und sein rissiges Buch... soll es für mich verschlossen bleiben. Mir stehen ganze Bibliotheken offen, die er nicht wird lesen können. Vielleicht werde ich ihm Geschichten davon erzählen. Vielleicht.
Und letztendlich habe ich festgestellt:
Ich mag vielleicht nicht hübsch sein, aber ich bin stark.
Ich mag vielleicht keine Eleganz haben, dafür habe ich die Kraft zum Weiterleben.
Ich mag ihn vielleicht noch immer in meinem Herzen tragen, doch ich bin nicht mehr von ihm abhängig.
Und das ist, wie es sein soll.
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Kurokawa Michiko, 07.09.09, 11:00