*Es ist ein klarer, heller Herbstmorgen in Yattaland. Vom wolkenlosen Himmel sendet die schwächer werdende Sonne ihre letzten wärmenden Strahlen zur Erde und beleuchtet die friedliche Natur, die sich vor dem langen Schlaf noch einmal in prächtige Farben hüllt. Ein sanfter Wind raschelt in den trockenen Blättern und Halmen, und es ist fast, als trüge er Erinnerungen aus früheren Tagen mit sich, als die Gräser noch saftig und das Laub noch grün war. Hin und wieder zieht ein Vogelschwarm hoch über den dürren Wipfeln vorbei, gen Süden, weg von der langsam und unmerklich aufziehenden Kälte. Unermüdlich folgen sie ihrem Weg, und Arkanis Blick folgt ihnen, bis sie hinter dem Fensterrahmen verschwinden und nicht mehr zu sehen sind...
Die Priesterin wendet sich ab und wirft einen Blick in ihr schweigendes Zimmer. Es dauert eine Weile, bis ihre Augen, geblendet vom Sonnenlicht, sich an die Schummrigkeit des Raumes angepasst haben. Alles sieht aus wie immer. Fernseher, Computer, Kühlschrank, Bett, auch die Stereoanlage und die verschwenderisch große Badewanne, alles steht noch am selben Platz, und doch erscheint es ihr anders. Fremd. Leer. Beinahe feindseelig und einengend wirkt ihr Zimmer auf sie.
Dinge, die über Wochen in ihr gekeimt haben, kommen nun allmählich zur Reife. Arkani hatte sich in der letzten Zeit von ihren Glaubensgenossen ferngehalten, lange Spaziergänge im Wald unternommen, war unruhig durch die Wildnis gestreift, doch alles Nachdenken, alles Untersuchen und Beobachten hatte ihre verwirrten Gedanken nicht klären können. In ihrem Kopf herrscht Tumult. Genauer genommen hofft sie inständig, daß es Tumult ist, und nicht etwa die altbekannte Leere, die sie so fürchtet. Doch wahrscheinlich ist sie es. Ihr Kopf fühlt sich an, wie mit frischem Gips gefüllt, schwer, triefend, grau, kalt, formlos, jede Lücke verschließend und langsam immer härter werdend.
Und doch ist da dieses Gefühl. Sie kann es nicht rational begründen, sie kann es nicht einmal rechtfertigen. Im Grunde kann sie nicht einmal abschätzen ob es richtig ist oder falsch, feige oder tapfer, jedesmal, wenn sie versucht, sich ihm zu nähern, verliert sie es aus den Augen. Nur wenige Personen wissen von ihrem Zwiespalt, doch selbst ihre Ratschläge und Zuwendung und Geduld konnten nicht helfen, auch nur einen Hauch mehr Klarheit zu erzeugen. Im Gegenteil...
Arkani denkt nicht, daß sie den Mut besitzt, sich den anderen offen zu stellen. Was soll sie schon sagen, wenn sie selbst nicht weiß, wieso? Was sie fühlt, ist Traurigkeit, Aggressivität, Melancholie, Unruhe, Enttäuschung und Furcht. Wie viel davon echt ist, weiß sie nicht.
Sie hat nur ein kleines Bündel gepackt.*
{Laufe ich schon wieder weg? Oder ist dies ein notwendiger Schritt, ist dies der richtige Ausweg? Ich glaube nur, daß ich hier nicht richtig bin.}
*Arkani öffnet das Fenster, bis zum Boden ist es weniger als ein Meter. Der kühle Morgenwind fährt ihr entgegen, und die Priesterin nimmt einen tiefen, belebenden Zug davon. Dann greift sie in ihre Kutte und zieht ein kleines, gefaltetes Stück Pergament hervor. Dieses klemmt sie unter ihre Schreibtischlampe, so daß es nicht im Wind davonfliegen kann. Nachdem dies erledigt ist, stößt sie sich ab und landet draußen sanft auf dem weichen Boden. Es ist ein herrliches Wetter.*
Liebe Yattaisten,
ich verlasse den Tempel für eine Weile. Ganz über alle Zweifel erhaben bin ich bei dieser Entscheidung nicht, immerhin haben wir viel miteinander erlebt und durchgestanden. Aber ich fühle mich hier nicht mehr wohl. Die Zeit verändert alles und läßt selbst die hübschesten Fassaden verfallen, und was darunter zum Vorschein kommt... Bei mir ist der Lack ziemlich ab, und auch der Rest der Gruppe weiß inzwischen ganz gut, was unter der Zuckerschicht lauert. Das ist überall so und unvermeidlich. Außerdem sind wir alle unterschiedlich, und manche kommen eben mit manch anderen besser klar... auch das ist unvermeidlich, aber trotzdem habe ich mich entschieden, zu gehen. Nicht zu weit, wenn ihr mich brauchen solltet, werde ich zur Stelle sein. Ich habe nur das Gefühl, wie damals schon als ich meinen Modposten aufgegebe habe, mich in Dinge einzumischen in die ich längst keinen Einblick mehr habe. Ich habe wohl irgendwann den Absprung versäumt. Ich kanns gut nachvollziehen wenn mich manche jetzt für einen Idioten halten. Vielleicht bin ich das auch, aber ich muß wohl selbst lernen, damit klarzukommen.
Macht‘s gut und tut das, was ihr für richtig haltet.
Pawprinted,
~Arka