• lebendig



    Alles ist schwarz, weiß und grau.
    Ich liege reglos in einer Pfütze, während kalter Regen mein Gesicht benetzt. Jeder einzelne Tropfen, in seiner Kälte schmerzhaft und doch erfrischend, erinnert mich daran, dass ich lebe.
    Mein Körper ist aufgeweicht, das Wasser schenkt mir Frost, der durch meinen Leib wandert. Diese Kälte in mir bedeutet Schmerz und erinnert mich daran, dass ich lebe.
    Ich sehe Schuhe nahe meinem Gesicht, die Leute machen einen Bogen um mich. Unter ihren Kapuzen und Regenschirmen schauen sie mich verachtend an. Ihre Blicke schmerzen und ich fühle, dass ich lebe.
    Sie gehen weiter und fragen nicht warum. Warum ich im Regen lieg’, warum ich nackt im seichten Wasser einer Pfütze, regungslos verharre. Ihre Ignoranz tut mir weh und erinnert mich, dass ich lebe.
    Die monotone Masse bildet Trauben, einige deuten auf meine Scham, einige schauen angewidert fort. Doch niemand ist bei mir, und dieses Alleinsein schmerzt, erinnert mich daran, dass ich lebe.
    Die Kälte in ihren Herzen brennt viel mehr, als der Frost in meinen Gliedern. Ich heiße Willkommen, was mich am Leben erhält. Was mich daran erinnert, dass ich noch lebe.
    Alles ist schwarz, weiß und grau.
    Doch da sehe ich einen Schein, Farbe, die sich zwischen die Massen drängt.
    Alles ist schwarz, weiß, grau und nur sie ist rot.
    Schnell verblasst auch ihre Farbe, als sie weitergeht.
    Die Erinnerung an die Kälte bedeuteten Schmerz, den ich Willkommen hieß.
    Die Erinnerung an diese Farbe bedeutet Schmerz, der mich daran erinnert, dass ich liebe.
    Alles ist schwarz, weiß und rot.
    Und ich weiß, dass der Schmerz auch die Farbe Rot tragen kann.
    Ich werde ihn willkommen heißen, denn er wird mich daran erinnern, dass ich nicht nur lebe, sondern auch liebe.



    entsanden am 27.11.06
    spontan, ohne Grund
    freue mich über Comments ^^

  • Also das find ich persönlich extrem gelungen. o.o


    In der ersten Hälfte spricht mich vor allem der geschickte Umgang mit dem Schmerz an. Normalerweise deutet man Schmerz (in welcher Form auch immer) als etwas, was dem Leben in einer Weise gegenübersteht, aber du verdeutlichst, daß man gerade dann am Leben ist, wenn man Schmerz empfindet - würde man diesen nicht mehr spüren, wäre das ein sicheres Zeichen dafür, daß irgendwo im Innern etwas gestorben ist, was zuvor für Emotionen und Gefühlsregungen gesorgt hat. Was lernt man draus? Auch Schmerz und negative Erfahrungen können zu einem positiven Endresultat beitragen.


    Die zweite Hälfte lenkt deine Thematik in eine andere Richtung und man (zumindest ich) seh' es noch etwas metaphorischer; spätestes am Punkt, wenn "sie" auftaucht, wandeln sich die Zeilen zu einer Beschreibung eines Taubheitsgefühls, das man nach einem traumatischen Erlebnis in sich fühlt und der einzige Blitz, der einen durchzuckt, ist, wenn man die alte Liebe für einen Moment wiedersieht. Trotz daß sie einfach wieder geht, ohne auf dich zu achten (zu dir zurückzukommen?) verdrehst du das Ereignis, das so viele als negativ interpretieren würden, ins Positive und sagst, daß es dir dennoch zeigt, daß du nicht taub und gefühlskalt geworden bist, sondern noch immer lieben (und leben) kannst.


    Irgendwie eine super gelungene Hymne an den Optimismus, weiß nicht, ob das so beabsichtig war, aber es scheint typisch Naowri - offen für Interpretation. Klasse.

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    Name: Korigan

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    In an average lifetime, the human heart will beat two billion times. You’ll produce over eight thousand gallons of saliva and grow three hundred and fifty miles of hair. You’ll eat the equivalent in weight of six elephants. The average life is full of near misses and absolute hits, of great love and small disasters. It’s made up of banana milkshakes, loft installation and random shoes. It’s dead ordinary and truly, truly amazing. What you’ve got to realise is, it’s all here now. So breathe deep and swallow it whole, because take it from me - life just whizzes by and then all of a sudden it’s… (Torchwood - "Random Shoes")

  • Also erstmal vielen Dank, Thunder ^^


    Ich selbst empfinde das Stück gar nicht als sooo toll. Also klar, es gefällt mir (Eigenlob stinkt), aber das sie alle, sonst würde ich sie nich veröffentlichen.
    Deine Sichtweise auf die Kurzprosa ist allerdings sehr interessant, und im Endeffekt hast du ziemlich das rausgefiltert, was ich sagen wollte.


    Dieses kleine Werk ist zwar nicht 100% autobiographisch, aber irgendwie spricht es doch für viele Menschen, oder?


    Ich denke, und möchte das mal in klaren Worten sagen, dass wir den Kopf nie hängen lassen dürfen.
    Denn wer auf den Boden schaut wird nie die Sterne sehen. (Es sei denn seine Tränen bilden Pfützen, in denen sich die Sterne, symbolisch wohl sehr unkonkret, spiegeln.


    *grins*



    Worüber ich mich aber am meissten bei deinem Comment gefreut habe, waren die Worte typisch Naowri. Danke hierfür, denn irgendwie sagt es aus, einen eigenen "Stil" zu haben.

  • Daß du mittlerweile einen unverkennbaren, eigenen Schreibstil entwickelt hast, kann man nicht abstreiten ^^ Bei Zeichnungen ist es viel einfacher, einen Stil zu entwickeln, aber beim Schreiben find ich das ziemlich schwierig.


    Die Grundaussage kann man tatsächlich auf viele Leute beziehen und "die Moral von der Geschicht" spricht ebenfalls für sich. Wenn's nur immer so einfach wäre - aber wem erzähle ich das :winking_face:

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