Kurzgeschichte: "Lutz Flügel 2"

  • Mir egal, ob das jemand mag ;D




    Hallo, sie kennen mich ja bereits. Ich bin Lutz Flügel und seit einiger Zeit arbeitslos, aber das tut eigentlich gar nichts zur Sache.
    Wie ihr wisst, bin ich der normale Typ von Nebenan. Hab kurze dunkle Haare, bin etwas blass, mittelgroß bei einem normalen Gewicht. Der Durchschnittstyp eben.
    Sie wussten aber vielleicht nicht, dass ich vor einigen Tagen Geburtstag hatte. Darauf würden sie aber auch nicht kommen, wenn sie mich jetzt hier sehen könnten.


    Nur noch ein paar wenige Blocks.


    Meinen Geburtstag, den habe ich allein gefeiert. Der Tag begann damit, dass ich, wie so oft, um 12 Uhr herum in meiner 1-Raum-Wohnung aufwachte, allein. Der Wecker ging schon gegen 9 Uhr, weil ich ihn noch immer nicht umgestellt hatte, nachdem mich meine Freundin verlassen hat. Sie ist immer 9 Uhr aufgestanden, um arbeiten zu gehen.
    Ich bin also aufgestanden, stellte den Wecker aus und legte eine Platte ein. Passend zu meinem Geburtstag, keine Ahnung was ich gehört hab. Die Wohnung sah aus wie ein Saustall, aber in den letzten Tagen hatte ich keinen Antrieb, um irgendetwas zu tun. Also hab ich die Kaffeemaschine angestellt und die Zeitungen beiseite geschoben und mich an den Tisch gesetzt. Dort bot sich mir ein toller Ausblick auf die gegenüberliegende Hauswand.
    Irgendwann war die Maschine fertig und ich trank meinen Kaffee, während ich aus dem Fenster starrte. Aber nicht lange, da ich gegenüber ein Pärchen auf dem Balkon gesehen habe, die sich umarmten und küssten.
    Ich habe kurzerhand das Rollo herunter gelassen, und dann war es finster.
    Dienstage… ich mag sie einfach nicht, jedenfalls bin ich irgendwann vor meinem Fernseher eingeschlafen.
    Ein toller Geburtstag.


    Jetzt bin ich also Singe und das mit Anfang 30, wenn ich optimistisch rechne die Hälfte meiner Zeit... Wenn ich wüsste…


    Single, nach über 5 Jahren Beziehung ist es völlig seltsam, das zu sagen.
    Wir haben viel erlebt, Katrina und ich, und so richtig weiß ich gar nicht, was passiert ist, dass sie mich verlassen hat. Betrogen hätte ich sie, dabei wüsste ich nicht einmal, mit wem. Weil, ich meine, ich bin ein Langweiler.
    Ernsthaft, ich scheine den Unterhaltungswert eines Weißbrots zu haben, wie soll ich da fremdgehen? Oh Mann, ich hab da echt keine Ahnung wie es soweit kommen konnte. Wahrscheinlich war der eigentliche Grund, dass ich so ein Normaler bin, jemand, dessen Leben einfach nicht interessant ist.
    Nicht ohne Grund gehe ich in die Läden, wenn ich nichts zu tun habe, und schaue mir die entwickelten Fotos wildfremder Menschen an. So hab ich wenigstens etwas, was mal neu ist. Ziemlich armselig, ich weiß, aber immerhin besser als das, was ich in meiner Jugend so getan habe.


    Oh ja, meine Jugend, ein weiterer Bestandteil meines Lebens, der nicht sehr besonders ist, obwohl nicht jeder im Heim aufwächst, ohne Familie.


    Gelernt habe ich damals Schlosser, zusammen mit Marko, meinem Mitbewohner im Kinderheim. Das war schon eine gute Zeit mit ihm, als wir damals immer den alten Meister Schubert, einer unsrer Lehrer, geärgert haben. Einmal haben wir zum Beispiel mit einem Bolzenschussgerät den Kittel von ihm an die Wand genagelt, wodurch er zerrissen ist, als er ihn abgemacht hat.
    Und im Heim war Marko mein einziger Freund. Der Coole und der Außenseiter, das waren wir.
    Viel Unsinn hatten wir im Kopf, aber vielleicht bin nur ich auf der Strecke geblieben, sodass ich meinen Job mit nur 26 Jahren verloren habe, während ihm nichts passiert ist. Seit meiner Kündigung habe ich kaum noch Kontakt zu ihm. Mal ein Geburtstagsgruß, mal ein Neujahrswunsch, das ist alles.
    Nichts Besonderes mehr.


    Ich wünsche mir schon die Zeit von damals zurück, nicht von meiner Ausbildung, auch nicht die meiner Jugend, sondern jene Zeit, in der ich von nichts wusste. Weder das mit meinen Eltern, noch das, dass die Welt es nicht gut mit mir meinen würde.
    So sieht es nun einmal aus.


    Nicht mehr viele Straßen, dann bin ich da.
    Heute ist ein Tag, an dem ich, wie ab und zu mal, Pizza ausliefere. Zum Glück habe ich meinen Führerschein, nach scheinbar unzähligen Versuchen, doch noch bekommen. So kann ich mir jetzt etwas neben dem Arbeitslosengeld dazu verdienen. Es ist nicht viel.
    Zu wenig zum Leben, zu viel zum Sterben.


    Jedenfalls bin ich gleich fertig, mit meiner Schicht. Es ist ja auch schon fast 21:30, wird also langsam Zeit.
    Es sei denn es rufen noch Leute an, die, so wie ich, um diese Zeit weder jemanden haben, der ihnen etwas zu Essen macht, geschweige denn überhaupt etwas Essbares. Dafür aber einen guten Hunger.


    Ich hab Glück, auch ich hab das mal.


    Der Tag geht ereignislos zu Ende. Ich gehe ungefähr halb zwei in mein Bett. Ich habe Morgen eh frei, also habe ich mir noch einen Film angeschaut um mir einen runterzuholen. Wie armselig, aber Morgen habe ich eh wieder nichts vor, was soll’s also.
    Leider ist Morgen Dienstag, mein persönlicher Hasstag.


    Wenn ich wüsste, dass ich in vier Jahren sterben würde, vielleicht würde ich mein Leben anders leben. Die Momente voll und ganz genießen. Die Luft und die Sonne lieben, die Menschen und die Welt, und vielleicht sogar Dienstage.
    Aber all das weiß ich nicht.


    Meine nächsten vier Jahre werden genauso ereignislos verlaufen wie dieser, wie mein Geburtstag.


    Und das ist schade, im Nachhinein betrachtet.


    Wenn ich nur wüsste…


    Gute Nacht, Welt.

  • Zitat

    Original von Naowri
    arbeitslos, aber das tut eigentlich gar nichts zur Sache.
    Wie ihr wisst, bin ich der normale Typ von Nebenan. Hab kurze dunkle Haare, bin etwas blass, mittelgroß bei einem normalen Gewicht. Der Durchschnittstyp eben.


    Ich dachte du beschreibst meinen Nachbarn :D


    aber ich find es gut ^^


    wo bekommst du die Ideen her sowas zu Schreiben ?

  • Ich befinde die Lutz Flügel-Sachen für Deine besten was meinen persönlichen Geschmack angeht. Das andere Zeug ist mir dann doch oft ne Spur zu pathetisch. Aber das hier finde ich gut(habs erst 1x gelesen). Ich bin gespannt was noch so kommt!


    PS: Der gute Lutz würde sicher auch ein paar gute Liedtexte hergeben. Der hat den Blues.

  • Beeindruckend die Art wie du erzählst ist ziemlich packend.
    Der Charakter kommt enorm real rüber, als stünde er vor mir und erzählt das alles.


    Der Inhalt beschreibt wohl einen ziemlich eintönigen Teufelskreis der in einer gewissen Gleichgültigkeit sich selbst gegenüber endet.
    "Bin ja eh ein normalo, für mich interessiert sich keiner, ändern wird sich eh nix" usw... Gedanken in denen man sich schnell verfängt.

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