„Sehen“
Und während mein Leben aus meinen Augen strömt,
während ich auf diesem kalten Boden liege,
während der Schmerz schon nicht mehr da ist,
wird niemand bemerken, niemand sehen,
wie lang ich schon
gegangen bin.
Ich war nie wirklich hier,
jedenfalls nicht wie ihr.
Habe das Wetter beobachtet
Und die Menschen.
Nach all den 7500 Tagen,
die ich wandelte, die ich betrachte
habe ich erkannt,
dass nur das Wetter
sich ändert.
Wie der Stein zu Grunde fällt,
so fällt auch der Mensch
und so falle auch ich,
bis mich der Boden
auffängt, der kalte.
Unsere Augen sind getrübt,
das habe ich bemerkt.
Nach nur 4500 Tagen
Stumm und starr, schläfrig und stur
Sind wir unseren Weg gegangen,
beugten uns dem Willen
derer, die die Macht hatten,
oder sie für sich wähnten.
Haben willenlos funktioniert.
Ich sehe alles.
Sehe, wie nach unzähligen Tagen
Sich einfach nichts,
außer dem Wetter,
ändert.
Ich sehe alles.
Und so wie wir leben,
wie im Wachkoma gleich
einfach nichts tun, gegen das, was
geschieht, mit uns, mit der Welt.
Diese perverse Travestie,
ich kann sie sehen,
wie sie uns krank macht,
doch ihr habt
eure Augen
geschlossen.
Ich kann es sehen,
und es ist ein fürchterlicher
Schmerz, der durch meine Augen
In mich dringt und mich zu zerbersten droht.
Und während mein Leben aus meinen Augen strömt,
während ich auf diesem kalten Boden liege,
während der Schmerz schon nicht mehr da ist,
wird niemand bemerken, niemand sehen,
wie lang ich schon
gegangen bin.
Ich wünschte,
ich könnte, wie ihr
meine Augen einfach schließen.
Mein und euer Leid einfach ignorieren,
mich wohl fühlen,
mich paralysieren lassen, erstarrt und fasziniert.
Ich wünschte, ich könnte es.
Doch ich sage euch,
hier und zu dieser Stunde:
Meine Augen sind feucht,
und dies ist die Kunde:
Der Wandel hat begonnen,
und zwar in unseren Herzen,
das alte Blut ist geronnen,
von innen die Schmerzen.
Ihr habt eure Augen geschlossen,
aber ich weiß,
dass eure Ohren laut und deutlich
alles hören können.
Vielleicht vermögt ihr den Boden
Nicht zu sehen, aber lauscht dem
Wind, wie er an euren
Köpfen vorbei rast.
Ich schließe meine Augen,
doch für mich ist es zu spät,
erkenne ihn schon deutlich unter mir,
kann seinen kühlen Grund
mich berühren
spüren.
„Willkommen im Leben.“
Hieß man mich Willkommen am ersten Tag.
„Das ist euer Leben.“
Ist was ich euch nun sag.
Es ist nicht zu spät,
nicht für euch,
wenn ihr
nur eure Augen
öffnet, und seht,
wie wir mit Kunststoff-Fahnen
unsere Blindheit feiern.
Gegen die Schmerzen von innen,
kann man nicht gewinnen.
Beenden wir die Travestie,
sie hat keine Macht, diese Idiotie,
die uns zusammenhält,
die mit uns fällt.
Leben strömt noch aus meinen Augen,
und ich liege auf dem kalten Boden.
Der Schmerz ist noch da,
doch ich blicke hoch,
und sehe, wie sich Augen öffnen.
Könnt ihr mich sehen?
Ich bin noch nicht gegangen.
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